Wespe gegen Akazie: Könnte biologische Schädlingsbekämpfung Europa zum Erfolg führen?
Die Blütengallen bildende Wespe misst zwar nur ein paar Millimeter, doch einige Wissenschaftler glauben, dass dieses kleine Insekt die Lösung für ein großes Problem in Europa sein könnte. Sie wollen Trichilogaster acaciaelongifoliae – aus der Überfamilie der Erzwespen – dazu nutzen, den Vormarsch einer invasiven Pflanze zu stoppen, die entlang der portugiesischen Küste die Umwelt verwüstet.
Acacia longifolia – die ursprünglich in Australien beheimatete sogenannte Langblättrige Akazie – ist eine schnellwüchsige invasive Art Tiere, Pflanzen oder sonstige Organismen, die vom Menschen in Orte eingeschleppt wurden, die außerhalb deren natürlichen Verbreitungsgebiets liegen, die sich zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung für die biologische Vielfalt Begriff, der die Vielfalt lebender Organismen in einer bestimmten Umwelt beschreibtin Küstendünengebieten und anderen Lebensräumen Portugals entwickelt. In Südafrika wird Trichilogaster acaciaelongifoliae bereits erfolgreich als biologisches Schädlingsbekämpfungsmittel gegen die Pflanze eingesetzt, und die portugiesischen Behörden könnten diesem Beispiel folgen.
Allerdings kommt T. acaciaelongifoliae in Europa nicht vor und befindet sich auch nicht im EU-Verzeichnis schädlicher Organismen, die es aus dem Gebiet der Union fern zu halten gilt. Daher hat die Europäische Kommission die EFSA um die Beantwortung folgender Frage ersucht: Gesetzt den Fall, die Wespe wird nach Europa eingeführt, würde dies eine Bedrohung für andere Pflanzen als A. longifolia darstellen? Eine zusätzliche Komplikation besteht darin, dass mehrere Acacia-Arten in der Region als Zierpflanzen angesiedelt wurden, so dass die EFSA zu bewerten haben wird, ob eine Freisetzung sich auf diese Nichtzielpflanzen auswirken würde.
Die EFSA wird das Risiko der Ansiedlung und Ausbreitung von T. acaciaelongifoliae sowie etwaige Auswirkungen auf die Pflanzengesundheit untersuchen. Professor Mike Jeger, Vorsitzender des EFSA-Gremiums für Pflanzengesundheit (PLH), erklärte hierzu: „Die Anfrage ist insofern interessant, da wir üblicherweise bei Schädlingsrisikobewertungen zunächst untersuchen, wie wahrscheinlich die Einschleppung eines Organismus Lebewesen wie Menschen, Tiere, Pflanzen und Mikroben (z.B. Bakterien und Viren) überhaupt ist; im vorliegenden Fall hingegen würden wir der Wespe quasi eine Einladung schicken.
Bevor wir ihr jedoch die Tür öffnen, ist es unerlässlich, dass wir uns mögliche Auswirkungen auf Nichtzielarten genau anschauen. Es könnte durchaus sein, dass T. acaciaelongifoliae sich bei der Bekämpfung von A. longifolia als wirksam erweist; sollte dies aber zu schädlichen Nebenwirkungen für andere Pflanzen führen, würden wir lediglich ein Problem durch ein anderes ersetzen.“
A. longifolia wurde vor 150 Jahren aus Australien nach Portugal eingeführt, um der Sanderosion Einhalt zu gebieten. Seitdem hat sich die Pflanze in einem Maße angesiedelt und ausgebreitet, dass sie mittlerweile genau das bedroht, was sie eigentlich schützen sollte, indem sie das Landschaftsbild drastisch verändert und den Artenreichtum der lokalen Flora zerstört.
Die Pflanze stellt eine besondere Herausforderung für Landmanager dar, da ihre Samen sich in langlebigen Samenreservoirs ansammeln, was dazu führt, dass es nach erfolgter mechanischer Entfernung oder der Anwendung sonstiger Bekämpfungsmethoden zu einer raschen Neubesiedelung durch die Pflanze kommt. Darüber hinaus können Brandrodung und andere Ausrottungsmaßnahmen die Samenkeimung von A. longifolia sogar noch fördern und beschleunigen.
Aus diesen Gründen erwägt Portugal nun die biologische Schädlingsbekämpfung als wirksamere – und wesentlich kostengünstigere – Alternative zu manuellen oder chemischen Verfahren, bei denen mitunter mehrere Wiederholungsbehandlungen und Überwachungsmaßnahmen notwendig sind. So kostete etwa die zwischen 2006 und 2012 durchgeführte mechanische Entfernung von Wasserhyazinthen (Eichornia crassipes) aus dem Guadiana-Becken im Südwesten Spaniens 21 Mio. EUR und erfordert eine stete Nachbehandlung, um Ausbrüche, die von verbleibenden Pflanzen, Pflanzenteilen und Samen hervorgerufen werden, einzudämmen.
In Prof. Jegers Worten: „Mit traditionellen Methoden gegen invasive Pflanzen vorzugehen ist zweifellos teuer und, in einigen Fällen, sogar umweltschädlich. Davon abgesehen führen sie nur selten zum Erfolg. Die Vorteile einer biologischen Bekämpfung liegen klar auf der Hand: sie kosten weniger, sind nachhaltiger und wahrscheinlich auch sicherer.
Aber wir müssen vorsichtig sein. Denken Sie nur daran, dass im späten 19. Jahrhundert jemand – mit den besten Absichten – dachte, es wäre eine gute Idee, Langblättrige Akazien in portugiesischen Sanddünen zu pflanzen, und sehen Sie nun, wohin das geführt hat. Sind Organismen erst einmal freigesetzt, ist es fast unmöglich, die gerufenen Geister wieder loszuwerden. Darum müssen wir absolut sicher sein, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen.“
Was ist biologische Schädlingsbekämpfung?
Unter biologischer Bekämpfung, oder Kontrolle, versteht man die Verwendung einer Spezies – in der Regel ein Parasit, Räuber oder Krankheitserreger –, um eine andere, Probleme verursachende Art Untergliederung der Gattung, eine Gruppe eng verwandter und ähnlicher aussehender Organismen; z.B. steht im Falle des Homo sapiens (Mensch) der zweite Teil des Namens (sapiens) für die Art in ihrer Anzahl zu begrenzen. Die Absicht ist also nicht, die Zielspezies zu vernichten oder auszurotten, sondern ihre – ökologischen und/oder ökonomischen – Auswirkungen auf ein unproblematisches Maß zu reduzieren. Der natürliche Feind des Zielschädlings wird als biologisches Kontrollmittel (biological control agent – BCA) bezeichnet.
Formen der biologischen Schädlingsbekämpfung werden weltweit seit mehr als 100 Jahren praktiziert. Während dieser Zeit kam es etwa 7.000 Mal zur Freisetzungen von fast 2.700 Arten mit dem Ziel der biologischen Kontrolle. Diese findet breite Verwendung in zahlreichen Ländern und Regionen, vor allem in Südafrika, Australien, Neuseeland und Nordamerika; in der EU hingegen gab es bislang nur einen offiziell zugelassenen Einsatz eines gebietsfremden biologischen Kontrollmittels gegen ein invasives Unkraut – die Freisetzung des Blattflohs Aphalara itadori zur Bekämpfung des Japanischen Staudenknöterichs (Fallopia japonica) im Vereinigten Königreich im Jahr 2010.
• Die Arbeitsgruppe des EFSA-Gremiums für Pflanzengesundheit, die sich mit Trichilogaster acaciaelongifoliae befasst, wird ihr wissenschaftliches Gutachten Zu Gutachten zählen Risikobewertungen im Hinblick auf allgemeine wissenschaftliche Fragen; Bewertungen von Anträgen auf Zulassung eines Produkts, Stoffs oder einer Angabe; sowie Bewertungen von Risikobeurteilungen voraussichtlich bis zum Frühjahr 2015 abschließen.
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