EFSA berichtet über aktuellen Stand zu Semicarbazid: kein Grund die aktuellen Ernährungsgewohnheiten zu ändern, auch für Babys. Vorsichtsmaßnahmen seitens der Industrie für Babynahrung empfohlen
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat heute auf der Grundlage der jüngsten Erkenntnisse, die dem wissenschaftlichen Gremium zur Verfügung standen, eine Risikobewertung Spezialgebiet der angewandten Wissenschaften, in dem wissenschaftliche Daten und Studien ausgewertet werden, um die mit bestimmten Gefahren einhergehenden Risiken zu beurteilen. Dies umfasst vier Schritte: Gefahrenidentifizierung, Gefahrencharakterisierung, Expositionsabschätzung und Risikocharakterisierung zu Semicarbazid (SEM) in Lebensmitteln vorgelegt. In dieser Stellungnahme wird die vorläufige Mitteilung der EFSA zum möglichen Vorkommen von Semicarbazid in bestimmten Lebensmitteln, die in Gläsern oder Glasflaschen verpackt sind, aktualisiert. Auch wenn die Ergebnisse gegenwärtig nicht schlüssig sind, wurde klar, dass SEM in bestimmten Lebensmitteln in sehr geringen Mengen vorhanden ist. Das Risiko für Verbraucher wird – sofern überhaupt vorhanden – von den wissenschaftlichen Sachverständigen als sehr gering beurteilt, nicht nur für Erwachsene sondern auch für Säuglinge und Kleinkinder. Dennoch halten es die Sachverständigen für angebracht, das Vorkommen von SEM in Babynahrung so rasch zu reduzieren, wie der technologische Fortschritt es erlaubt. Daher empfiehlt die EFSA, dass die Europäische Kommission ein Überwachungsprogramm einsetzt, um zu gewährleisten, dass die Industrie so bald wie möglich alternative Verpackungslösungen umsetzt, wobei der Babynahrung oberste Priorität einzuräumen ist. In der Zwischenzeit raten die wissenschaftlichen Sachverständigen, die aktuellen Ernährungsgewohnheiten nicht zu ändern: Die Verbraucher können weiterhin alle betroffenen Lebensmittel verwenden, einschließlich Babynahrung.
Am 28. Juli teilte die EFSA mit, dass in bestimmten Lebensmitteln in Gläsern oder Glasflaschen mit Metalldeckeln mit Kunststoffdichtungen vermutlich Semicarbazid (SEM) gefunden wurde. Zu den betroffenen Lebensmitteln zählten Fruchtsäfte, Konfitüren und Eingemachtes, Honig, Babynahrung, eingelegte und sterilisierte Gemüse, Mayonnaise, Senf, Soßen und Ketchup. Da die Toxizität Potenzial eines Stoffs, einem lebenden Organismus zu schaden von SEM nicht hinreichend geklärt ist, wurden von der EFSA und der Industrie weitere Untersuchungen zum Vorhandensein von SEM in Lebensmitteln und zu den möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit vorgenommen. Zunächst wurde vermutet, dass das offensichtliche Vorkommen von SEM in Lebensmitteln mit seiner Erzeugung durch den analytischen Prozess selbst zu erklären sei.
Aus den jüngsten Untersuchungen geht jedoch eindeutig hervor, dass Semicarbazid während der Wärmebehandlung eines zugelassenen Treibmittels (Azodicarbonamid), das zur Herstellung von Dichtungen in den Deckeln von Gläsern und Glasflaschen verwendet wird, entsteht und von den Dichtungen in die Lebensmittel migriert.
Bei der Beurteilung der von Semicarbazid ausgehenden Risiken haben die Sachverständigen Folgendes geprüft: die verfügbaren jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Toxikologie von SEM; die in Lebensmitteln gefundenen Mengen sowie die geschätzte Aufnahme Menge eines Stoffs (z.B. eines Nährstoff oder einer Chemikalie), der von einem Menschen oder einem Tier über die Nahrung aufgenommen wird von SEM durch Babys, Kinder und Erwachsene. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, einschließlich der jüngsten von der EFSA in Auftrag gegebenen Untersuchungen, zeigen, dass Semicarbazid eine schwach karzinogene Wirkung bei Tieren und eine schwach genotoxische Wirkung hat (d.h., es kann die DNA Komplexes, kettenähnliches Molekül, das in allen Lebewesen und einigen Viren vorkommt und die genetischen Informationen (Gene) trägt. Die DNA (dt.: Desoxyribonukleinsäure – DNS) ist in der Lage, sich selbst zu kopieren, und enthält die „Baupläne“ aller Proteine, die für die Schaffung und Erhaltung von Leben notwendig sind, das genetische Material der Zellen, schädigen). Die in den Lebensmitteln vorhandenen Mengen an Semicarbazid sind sehr gering. Obwohl über SEM in einigen Punkten noch Unklarheit herrscht – nicht nur über das Ausmaß der menschlichen Exposition Konzentration oder Menge eines bestimmten Stoffs, die von einem Menschen, einer Population oder einem Ökosystem mit einer bestimmten Häufigkeit über einen bestimmten Zeitraum hinweg aufgenommen wird durch die Nahrungsaufnahme sondern auch über die Wahrscheinlichkeit der Auswirkungen auf den Menschen – kam das wissenschaftliche Gremium der EFSA zu dem Schluss, dass das Risiko im Zusammenhang mit der Aufnahme von Lebensmitteln, die Semicarbazid enthalten, sehr gering ist.
In einem Kommentar zu diesen Schlussfolgerungen erklärte die Vorsitzende des EFSA-Gremiums, Dr. Sue Barlow: „Das von dem möglichen Vorkommen von Semicarbazid in Lebensmitteln ausgehende Risiko für die Verbraucher wird – wenn überhaupt vorhanden – als sehr gering eingeschätzt, nicht nur für Erwachsene sondern auch für Säuglinge und Kleinkinder. Obwohl bei der Risikobewertung aufgrund der derzeit unvollständigen Datenlage gegenwärtig noch Ungewissheiten bestehen, beziehen sich diese nur darauf, wie das zu bewerten ist, was als sehr geringes Risiko angesehen wird".
Eine Ad-hoc-Sachverständigengruppe wurde von der EFSA speziell damit beauftragt weitere mögliche Risiken für Säuglinge und Kleinkinder bekannt zu geben, da diese die Verbrauchergruppe darstellen, für die die potenzielle Exposition gegenüber Semicarbazid im Verhältnis zum Körpergewicht am höchsten sein dürfte. Bei der Bewertung der möglichen Implikationen von SEM in Babynahrung untersuchten die Sachverständigen die toxikologischen Aspekte neben mikrobiologischen Überlegungen und Ernährungsaspekten. Die Sachverständigen hoben hervor, dass Nahrung für Säuglinge und Kleinkinder in Gläsern zwar nicht zwingender Bestandteil der Ernährung Die Ernährungswissenschaft befasst sich mit der Frage, wie Ernährung und lebensnotwendige Bedürfnisse des Körpers zusammenhängen, jedoch aus Gründen der Bequemlichkeit, Qualität und Ernährungssicherheit weit verbreitet ist. Dank ihrer hinreichend belegten mikrobiologischen Sicherheit bieten sie einen hervorragenden Schutz vor mikrobiologischen und sonstigen Kontaminationsrisiken. Trotz der Schlussfolgerung, dass vorsorglich die Exposition gegenüber Semicarbazid reduziert werden soll, sobald dies technisch möglich ist, hoben die Sachverständigen hervor, es sei unangemessen, irgendeine sofortige Maßnahme für Babynahrung zu ergreifen, die möglicherweise andere schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Babys haben könnte. Bei den derzeit von der Industrie untersuchten möglichen Alternativen zu den bisherigen Verpackungsmaterialien und Dichtungstechniken für Babynahrung muss vor deren Einführung die Dichtungsintegrität unbedingt sorgfältig berücksichtigt und geprüft werden.
Im Hinblick auf das Vorkommen von Semicarbazid in Babynahrung und sonstigen Lebensmitteln in Gläsern oder Glasflaschen werden keine unmittelbaren Maßnahmen auf Seiten der Verbraucher oder Einzelhändler empfohlen.
Die EFSA drängt jedoch auf die Verfolgung eines Maßnahmenprogramms zur Reduzierung des Vorkommens von SEM in Lebensmitteln, das die Entwicklung von alternativen Verpackungslösungen und die Überwachung der Konzentration von SEM in Lebensmitteln einschließt. Außerdem empfiehlt die EFSA, dass die Kommission ein Überwachungsprogramm einsetzt, um zu gewährleisten, dass der Austausch der Dichtungen für Gläser durch die Industrie so schnell wie möglich erfolgt.
(Bitte finden sie "Weitere Empfehlung zu Semicarbazid, insbesondere in Bezug auf Babynahrung Ad-hoc-Sachverständigengruppe Sitzung vom 9. Oktober 2003" im attachment)