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Bewertung von „chemischen Gemischen“ – aktuelle Ansätze und künftige Prioritäten

Menschen, Tiere und die Umwelt können gleichzeitig mehreren chemischen Stoffen aus verschiedenen Quellen ausgesetzt sein; bislang jedoch wird die Risikobewertung Spezialgebiet der angewandten Wissenschaften, in dem wissenschaftliche Daten und Studien ausgewertet werden, um die mit bestimmten Gefahren einhergehenden Risiken zu beurteilen. Dies umfasst vier Schritte: Gefahrenidentifizierung, Gefahrencharakterisierung, Expositionsabschätzung und Risikocharakterisierung. gewöhnlich für jede chemische Substanz einzeln durchgeführt. Die EFSA hat der Bewertung der kombinierten Exposition Konzentration oder Menge eines bestimmten Stoffs, die von einem Menschen, einer Population oder einem Ökosystem mit einer bestimmten Häufigkeit über einen bestimmten Zeitraum hinweg aufgenommen wird. gegenüber mehreren chemischen Stoffen aufgrund der Herausforderungen, die diese für die wissenschaftliche Arbeit der Behörde darstellt, Priorität eingeräumt und bereits einige Ansätze in diesem Bereich entwickelt. Jüngste Beispiele sind die Bewertung der von Pestizidgemischen ausgehenden Risiken für Menschen und Bienen sowie die Bewertung der Risiken durch Gemische von Kontaminanten Alle in Lebensmitteln zu findenden Stoffe, die nicht absichtlich zugesetzt wurden. Kontaminanten können auf Verpackung, Lebensmittelverarbeitung und -transport, landwirtschaftliche Praktiken oder den Einsatz von Tierarzneimitteln zurückzuführen sein. Der Begriff deckt nicht die Kontamination durch Insekten oder Nagetiere ab. für Menschen. Der heute von der EFSA veröffentlichte Bericht über internationale Bewertungsrahmen für chemische Gemische soll zur Einführung harmonisierter Terminologien und Methoden für Risikobewerter beitragen. Der Bericht stellt auch eine Grundlage für die zukünftige Arbeit der Behörde auf diesem Gebiet dar.

Die EFSA berücksichtigte die Bewertungsrahmen vier nationaler Behörden (Norwegen, Vereinigtes Königreich, zwei US-Behörden), zwei internationaler Organisationen (WHO und Europäische Kommission) sowie die eigenen Arbeiten der Behörde in diesem Bereich. Im Folgenden sind die sich aus dem EFSA-Bericht ergebenden wichtigsten Erkenntnisse und nächsten Schritte aufgeführt:

  • Zur Ermittlung von chemischen Gemischen, deren Risiko vorrangig zu bewerten ist, empfiehlt die EFSA die Verwendung von Kriterien für einen risikobasierten Ansatz, der sowohl die Toxizität Potenzial eines Stoffs, einem lebenden Organismus zu schaden. der betroffenen chemischen Stoffe als auch die (anzunehmende) Exposition gegenüber diesen Stoffen berücksichtigt.
  • Es liegen begrenzte Daten zur Toxizität von Gruppen bzw. ähnlichen Gruppen von chemischen Stoffen vor. Liegen keine derartigen Daten vor, werden Hinweise darauf zusammengetragen, dass verschiedene Substanzen ähnliche schädliche Wirkungen auf Organe und/oder physiologische Systeme hervorrufen, um sogenannte Bewertungsgruppen zu erstellen, die dann dazu verwendet werden, die möglichen kombinierten toxischen Wirkungen der chemischen Stoffe der Gruppe vorherzusagen. Die Substanzen im Gemisch können ähnliche „Toxizitätmechanismen“ (die wesentlichen zu einer schädlichen Wirkung führenden Schritte) aufweisen, so dass die Dosen zur Vorhersage der Wirkung einfach addiert werden können ( Dosisaddition Verfahren zur Ermittlung des Ansprechens von Organismen auf ein Gemisch chemischer Stoffe mit ähnlicher Toxizität. Dabei werden die Einzelwirkungen addiert, um die wahrscheinlichen Auswirkungen der Mischung insgesamt vorherzusagen.); oder sie können durch Wechselwirkungen untereinander an Toxizität zunehmen (Synergismus) bzw. abnehmen (Antagonismus).
  • Es sind noch weiterer Informationen nötig, um zu verstehen, wie chemische Stoffe vom Körper ausgeschieden werden, wie sie mit dem Körper in Wechselwirkung treten und wie sie sich potenziell bei Menschen und/oder Tieren auswirken. Die EFSA fördert die diesbezügliche Forschung und Datenerhebung. So hat sie vor kurzem eine Ausschreibung zur Untersuchung der Toxizität mehrerer chemischer Stoffe bei Bienen veröffentlicht und eine systematische Literaturauswertung zu den Wirkungen chemischer Gemische (darunter Pestizide, Kontaminanten und sonstige in der Lebensmittelkette vorkommende chemische Stoffe) im Hinblick auf die Bewertung von Risiken für den Menschen begonnen.
  • Zur Vorhersage der physiologischen Prozesse zum Abbau und zur Ausscheidung chemischer Stoffe sowie der Toxizitätsmechanismen werden neue Werkzeuge, wie mathematische und biologische Modelle, eingesetzt. Die EFSA wird auch weiterhin die Entwicklung solcher Werkzeuge wissenschaftlich unterstützen, insbesondere für die vorrangig zu bewertenden Gruppen von chemischen Stoffen.
  • Zur Förderung der genannten Entwicklungen bedarf es einer harmonisierter Terminologie; die EFSA empfiehlt Risikobewertern, hinsichtlich der Verwendung standardisierter Sprache dem Beispiel des „International Programme on Chemical Safety“ der WHO zu folgen.

Vollständiger Bericht und jüngste Ausschreibung: 

In ähnlichem Zusammenhang wird in einem ebenfalls heute veröffentlichten Gutachten der EFSA eine allgemeine Methodik für die Risikobewertung mehrerer Pestizide vorgestellt:

 

Notes to editors
  • Der Begriff „Chemische Gemische“ bezieht sich auf die kombinierte Exposition gegenüber mehreren chemischen Stoffen. Lebensmittel können von Natur aus viele verschiedene chemische Stoffe enthalten, so etwa Nährstoffe oder von Unkräutern produzierte Pflanzengifte, aber auch künstliche Chemikalien wie Pestizide oder Umweltschadstoffe wie Dioxine. Die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten chemischer Stoffe ist potenziell unermesslich, und die Stoffe können aus verschiedenen Quellen, beispielsweise Lebensmitteln, Medikamenten oder Verbrauchsgütern wie Kosmetika, stammen. Diese chemischen Stoffe können je nach ihrer Toxizität und ihrem Vorkommen in Lebensmitteln und der Umwelt gesundheitlich bedenklich sein.
  • Wie bewerten Wissenschaftler die Risiken der Exposition gegenüber chemischen Gemischen? Bei einem einzelnen chemischen Stoff werten die Wissenschaftler sämtliche Toxizitätsdaten aus, um eine sichere Verwendungsmenge festzusetzen, soweit dies möglich ist, und vergleichen diese mit der Exposition der Verbraucher (zum Beispiel über Lebensmittel). Anschließend können die Wissenschaftler mögliche Gesundheitsrisiken vorhersagen. Bei mehreren chemischen Stoffen haben Wissenschaftler Methoden entwickelt, die auf denselben Grundsätzen beruhen, jedoch gewisse Unterschiede aufweisen.
    • Zunächst bestimmen die Wissenschaftler, abhängig von der Verbraucherexposition bzw. der Toxizität der chemischen Substanzen, ob eine Risikobewertung für eine Gruppe von chemischen Stoffen erforderlich ist. Wer ist den Stoffen ausgesetzt (allgemeine Bevölkerung Kollektiv von Menschen, Tieren oder Pflanzen derselben Art. Bei Menschen spricht man auch von Bevölkerung., Kinder, Schwangere, ältere Menschen usw.) und wie stark? Erfolgt die Exposition einmalig oder verteilt über einen bestimmten Zeitraum? Dieser Schritt wird als Problembeschreibung bezeichnet.
    • Der nächste Schritt besteht darin, die Toxizität der Gruppe von chemischen Stoffen zu bewerten und festzustellen, wie diese Substanzen im Körper verstoffwechselt werden bzw. wie sie ihre Toxizität entfalten, d.h. welche „ Wirkungsweise Mittels Forschung identifizierte Abfolge von Ereignissen, die eine beobachtete Wirkung erklärt.“ sie haben. Wissenschaftler analysieren die vorliegenden Informationen zur Toxizität anhand wissenschaftlicher Kriterien nach dem sogenannten „ Beweiskraft der Daten Verfahren, bei dem alle Daten in Bezug auf eine Entscheidung basierend auf ihrer Aussagekraft und Qualität bewertet werden (Beweiskraftkonzept).“-Ansatz. Anschließend gehen sie, sofern entsprechende Daten vorliegen, von einer von drei Annahmen über die Toxizität aus – Dosisaddition, Wirkungsaddition Ansatz bei der Risikobewertung von chemischen Stoffgemischen, bei dem die Reaktionen auf jeden der einzelnen Bestandteile ermittelt und addiert werden, um die Reaktion auf das Gesamtgemisch vorherzusagen. Dieser Ansatz ist nur valide, wenn die einzelnen Bestandteile nicht in Wechselwirkung miteinander treten, d.h. wenn ihre Wirkungen vollständig unabhängig voneinander sind. oder Wechselwirkung –, um die potenziellen Gesundheitsrisiken zu bestimmen.
    • Dosisaddition bedeutet, dass die chemischen Stoffe eine ähnliche Toxizität aufweisen und nach Bestimmung ihrer jeweiligen Wirkstärke die Dosen zur Risikobewertung addiert werden.
    • Bei angenommener Wirkungsaddition berücksichtigen die Wissenschaftler die toxischen Wirkungen jeder einzelnen Substanz im Gemisch und beziehen diese alle zusammen in die Risikobewertung mit ein.
    • Wechselwirkungen sind komplexer. Chemische Stoffe können toxischer sein, wenn sie kombiniert werden; dies wird als „Synergismus“ bezeichnet. Sie können bei kombinierter Verwendung aber auch weniger toxisch sein; in diesem Fall spricht man von „Antagonismus“. Die Mechanismen, die dem Synergismus und Antagonismus zugrunde liegen, sind komplex. Zwei wichtige Mechanismen sind die Zu- oder Abnahme der Fähigkeit des Körpers, die chemischen Verbindungen zu entgiften und auszuscheiden, sowie die Zu- oder Abnahme der Toxizität eines oder mehrerer der chemischen Stoffe. Wenn Hinweise auf solche Wechselwirkungen vorliegen, tragen die Wissenschaftler die entsprechenden Daten zusammen, um diese Wirkungen bei der Risikobewertung zu berücksichtigen.

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