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EFSA aktualisiert wissenschaftliche Empfehlung zu Bisphenol A

Nach eingehender und umfassenden Überprüfung der neuesten wissenschaftlichen Fachliteratur und der neuesten wissenschaftlichen Studien über die Toxizität Potenzial eines Stoffs, einem lebenden Organismus zu schaden. von Bisphenol A (BPA) bei niedrigen Dosen sind die Wissenschaftler des CEF-Gremiums[1] der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu dem Ergebnis gelangt, dass keinerlei neue Erkenntnisse erlangt werden konnten, die sie dazu veranlassen würden, den von der EFSA in einem Gutachten aus dem Jahr 2006 empfohlenen und in einem weiteren Gutachten aus dem Jahr 2008 bestätigten Wert[2] der tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge ( TDI Die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (Tolerable Daily Intake – TDI) bezieht sich auf chemische Stoffe in Lebensmitteln oder Trinkwasser, die nicht absichtlich zugesetzt wurden (z.B. Kontaminanten), und ist ein Schätzwert der Menge eines solchen Stoffs, die im Laufe eines Lebens konsumiert werden kann, ohne dass sie ein merkliches Risiko für die Gesundheit birgt.-Wert[3] ) für BPA von 0,05 mg/kg Körpergewicht[4] abzuändern. Das Gremium stellte außerdem fest, dass die derzeit verfügbaren Daten keine überzeugenden Beweise für eine Toxizität von BPA im Hinblick auf neurologisch bedingte Verhaltensweisen liefern.

Ein Gremiumsmitglied brachte in seiner Minderheitsauffassung[5] zum Ausdruck, dass einige neuere Studien Unsicherheiten in Bezug auf nachteilige gesundheitliche Auswirkungen unterhalb der Mengen aufzeigten, die zur Festlegung des aktuellen TDI-Wertes herangezogen wurden. Obwohl das betreffende Mitglied des Gremiums mit der generellen Sichtweise der übrigen Mitglieder des Gremiums übereinstimmt, dass die angeführten Studien nicht als Grundlage für die Festlegung eines neidrigeren TDI-Wertes dienen könnten, empfiehlt der Experte, dass der aktuelle TDI-Wert nur als zeitlich befristeter Wert gelten sollte.

Das Mitglieder des CEF-Gremiums erkennen an, dass einige neuere Studien von nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Tieren berichten, die während ihres Entwicklungsstadiums einer BPA- Exposition Konzentration oder Menge eines bestimmten Stoffs, die von einem Menschen, einer Population oder einem Ökosystem mit einer bestimmten Häufigkeit über einen bestimmten Zeitraum hinweg aufgenommen wird. ausgesetzt waren, deren Dosen deutlich unterhalb der derjenigen Mengen liegen, welche zur Bestimmung des aktuellen TDI-Wertes gedient haben. Diese Studien zeigen biochemische Veränderungen im zentralen Nervensystem, Auswirkungen auf das Immunsystem und erhöhte Prädisposition für Brustkrebs. Allerdings weisen diese Studien zahlreiche Unzulänglichkeiten auf. Zum derzeitigen Zeitpunkt kann die Bedeutung dieser Erkenntnisse für die menschliche Gesundheit nicht beurteilt werden; sollten jedoch in der Zukunft irgendwelche neuen relevanten Daten zur Verfügung stehen[6] , wird das Gremium eine erneute Überprüfung des Gutachtens vornehmen.

Die jüngsten von den EFSA-Wissenschaftlern durchgeführten Arbeiten erfolgten aufgrund eines Ersuchens der Europäischen Kommission, um: a) eine Überprüfung der aktuellen wissenschaftlichen Literatur über die Toxizität von BPA vorzunehmen, um beurteilen zu können, ob der TDI aktualisiert werden sollte; b) eine neue Studie über mögliche entwicklungsneurobiologische Effekte (z. B. die möglichen Auswirkungen auf das Gehirn und das zentrale Nervensystem) von BPA bei Ratten — auch unter der Bezeichnung „Stump-Studie“ bekannt; und c) Empfehlungen in Bezug auf Risikobewertungen von Seiten des Lebensmittel-Instituts der Technischen Universität Dänemarks.

Notes to editors

Bisphenol A wird zur Herstellung von Polycarbonat-Kunststoffen verwendet, die in Gegenständen wie wiederverwendbaren Trinkflaschen, Babyflaschen und Lagerbehältern zu finden sind und ferner in den in bestimmten Lebensmittel- bzw. Getränkedosen enthaltenen Beschichtungen zur Anwendung gelangen. Aufgrund des möglichen Zusammenhangs von BPA und nachteiligen gesundheitlichen Beeinträchtigungen wird die Thematik der Substanz weltweit mit beträchtlicher Aufmerksamkeit verfolgt. 

Die EFSA hat sich in den vergangenen Monaten mit Experten aus ganz Europa beraten und wissenschaftliche Diskussionen mit mehreren für Risikobewertungen zuständigen internationalen Behörden wie der US Food and Drug Administration (FDA), Health Canada und der Weltgesundheitsorganisation WHO zur BPA-Thematik durchgeführt, einschließlich der Gestaltung von wissenschaftlichen Studien zu BPA, toxikologischen Aspekten und den Stärken und Schwächen bestimmter Studien. Die EFSA wird auch zu einer Fachtagung über die Sicherheit von BPA beitragen, die von der WHO und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO im November dieses Jahres organisiert wird.

Die EFSA verfolgt aufmerksam die aktuellen Veröffentlichungen zu BPA und ist auf dem Laufenden über die Studien, die weltweit durchgeführt werden bzw. geplant sind. Darüber hinaus sind einige Mitglieder des Gremiums in die laufenden Arbeiten der EFSA eingebunden, um Trends und Entwicklungen bei der Bewertung der gesundheitlichen Risiken von endokrinen Wirkstoffen zu überwachen.

Bei der Überprüfung der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur hat das CEF-Gremium beobachtet, dass einige an Menschen durchgeführte epidemiologische Studien auf Zusammenhänge zwischen der Exposition gegenüber BPA und koronaren Herzkrankheiten und Fortpflanzungsstörungen hinweisen, aber die Ausgestaltung dieser Studien lässt keine Schlussfolgerung dahingehend zu, dass BPA die Ursache dieser gesundheitlichen Auswirkungen sei.

Dem Gremium zufolge belegt die an Ratten durchgeführte Stump-Studie, dass BPA keine Auswirkungen auf das Hirngewebe, auf die Motorik oder auf die akustische Schreckreaktion hat. Die Urheber der Stump-Studie behaupten, ihre Studie belege auch, dass BPA keine Auswirkungen auf die Lernfähigkeit und das Gedächtnis habe. Obwohl der dänischen Risikobewertung zu BPA[7] zufolge die Stump-Studie keine eindeutigen Beweise dafür geliefert hat, dass BPA schädliche Auswirkungen auf die in der Studie untersuchten Verhaltensweisen habe, hat die Studie Anlass zu Unsicherheiten über die Auswirkungen auf die Lernfähigkeit gegeben, was bei niedrigen Dosen in Bezug auf einige Ratten herausgefunden wurde.

Bei einer weiteren Überprüfung im Sommer 2010 identifizierte das CEF-Gremium mögliche Unzulänglichkeiten in der Datenanalyse der Autoren der Stump-Studie und bat das für Bewertung und Methodik zuständige „AMU“-Referat der EFSA, eine statistische Reanalyse der aus diesen Tests mit Ratten gewonnen Daten zum Lern- und Gedächtnisverhalten vorzunehmen. Diese Reanalyse[8] ergab eine sehr hohe Varianz der Ergebnisse[9] und daher sieht das Gremium die Studie in Bezug auf Lern- und Gedächtnisfähigkeiten als nicht beweiskräftig an und als von nur begrenztem Wert für die Risikobewertung zu BPA an. Darüber hinaus erklärt das Gremium, dass es auf der Grundlage ihrer Literaturrecherche die derzeit verfügbaren Daten nicht als überzeugende Beweise dafür ansieht, dass BPA schädliche Auswirkungen auf die Aspekte des Verhaltens — wie Lern- und Gedächtnisverhalten — hat. 

 

[1] Das CEF-Gremium ist das Gremium für Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, Enzyme, Aromastoffe und Verarbeitungshilfsstoffe.
[2]Gutachten des Wissenschaftlichen Gremiums AFC über 2,2-BIS(4-HYDROXYPHENYL)PROPAN (Bisphenol A) und  Toxicokinetics of Bisphenol A - Scientific Opinion of the Panel on Food additives, Flavourings, Processing aids and Materials in Contact with Food (AFC)    
[3] Der TDI-Wert ist ein Schätzwert der Menge eines Stoffes, ausgedrückt auf der Grundlage des Körpergewichts, die ein Leben lang täglich ohne ein nennenswertes Risiko konsumiert werden kann.
[4] TDI-Wert, basierend auf dem NOAEL Bei der Dosis ohne beobachtete schädliche Wirkung (No Observed Adverse Effect Level – NOAEL) handelt es sich um die höchste Konzentration oder Menge eines Stoffs, bei der in einer exponierten Population keine nachweisbare nachteilige Wirkung auftritt.-Wert (No Observed Adverse Effect Level — höchste Dosis Gesamtmenge eines Stoffs (z.B. einer Chemikalie oder eines Nährstoffs), die einem einzelnen Organismus verabreicht bzw. von einem Organismus, einer Population oder einem Ökosystem aufgenommen bzw. absorbiert wird. eines Schadstoffes, bei der noch keine schädliche Wirkung erkennbar ist) von 5 mg pro kg Körpergewicht und Tag aus einer bei Ratten durchgeführten Mehrgenerationenstudie zur Reproduktionstoxizität, bei der die kritischen Auswirkungen Veränderungen des Körper- und der Organgewichte bei adulten Ratten und den Rattennachkommen sowie Auswirkungen auf die Leber adulter Mäuse waren. Es wurde ein 100-facher Sicherheitsfaktor angewendet, um Unterschiede innerhalb der Art Untergliederung der Gattung, eine Gruppe eng verwandter und ähnlicher aussehender Organismen; z.B. steht im Falle des Homo sapiens (Mensch) der zweite Teil des Namens (sapiens) für die Art. bzw. zwischen den Arten zu berücksichtigen.
[5] Die EFSA erachtet es für wichtig, dass die einzelnen Wissenschaftler die Möglichkeit haben, von der in einem Gutachten zugrundeliegenden Ansicht bzw. dem darin vertretenen Standpunkt abweichende Auffassungen zum Ausdruck zu bringen, die als „Minderheitsauffassungen“ bezeichnet werden. Weitere Informationen zur Auswahl der Sachverständigen  
[6] Die EFSA hat ein System eingerichtet, wonach neue Studien über BPA kontinuierlich beobachtet werden.
[7] Die Schlussfolgerungen des Lebensmittelinstituts der DTU basieren auf drei wesentliche Argumenten: einem Unsicherheitsfaktor in Bezug auf die Lernfähigkeit — so wie in der Stump-Studie; Zweifel hinsichtlich der normalen Dosis-Wirkungsbeziehung bezüglich BPA; einige Auswirkungen, die nicht in die Erwägungen miteinbezogen wurden, namentlich gewisse Gesichtspunkte der Lern- und Gedächtnisfähigkeiten. 
[8] Einzelheiten zum AMU-Projekt.  
[9] Das Gremium stellte fest, dass die Daten eines Labyrinth-Schwimmtests bei Ratten einer sogenannten „Zensierung“ unterlagen. Der Test sollte zeigen, wie viele Fehler die Ratten beim Schwimmen durch das Labyrinth (sog. „Biel-Labyrinth“) machten, um innerhalb eines von den Autoren der Studie festgelegten Zeitraums von 3 Minuten daraus zu entkommen. Wenn die Ratten den Weg aus dem Labyrinth nicht fanden, wurden sie aus dem Labyrinth genommen und so gewertet, als ob sie den Weg aus dem Labyrinth innerhalb der Höchstdauer von 3 Minuten gefunden hätten („Zensierung“). Wenn sie mehr als 3 Minuten Zeit gehabt hätten, hätten sie auch mehr Fehler gemacht, was jedoch in der Stump-Studie nicht berücksichtigt wurde. Deshalb war das Design des Tests eingeschränkt, und die Ergebnisse waren verfälscht.
 

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