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Aktualisierung der Risikobewertung von Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW) in Lebensmitteln

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Hintergrund

  • Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) sind Stoffe, die hauptsächlich aus Rohöl, aber auch aus Kohle, Gas und Biomasse gewonnen werden. Es gibt zwei Hauptklassifizierungen von MKW: gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe (Mineral Oil-Saturated Hydrocarbons, MOSH) und aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons, MOAH).
  • MKW können als Umweltkontaminanten, als Schmiermittel von Maschinen, die bei der Ernte und der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden, als Verarbeitungshilfsstoffe wie Trennmittel oder Staubbindemittel, als Lebensmittel- oder Futtermittelzusatzstoffe und als Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, in Lebensmittel gelangen. MKW-Produkte, die in Lebensmitteln verwendet werden, werden behandelt, um den MOAH-Gehalt zu minimieren.
  • Im Jahr 2012 kam das Wissenschaftliche Gremium für Kontaminanten in der Lebensmittelkette (CONTAM-Gremium) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu dem Schluss, dass die potenziellen Auswirkungen von MKW auf die menschliche Gesundheit je nach Art des MKWs sehr unterschiedlich sind. Darüber hinaus gelangte das CONTAM-Gremium im Jahr 2012 zu dem Schluss, dass sich MOSH im menschlichen Gewebe anreichern und die Leber schädigen können, während MOAH, insbesondere solche mit chemischen Strukturen, die 3–7 Ringe umfassen, durch Schädigung der DNA mitunter Krebs verursachen. Aufgrund unzureichender analytischer Daten hat die Europäische Kommission die Überwachung von MKW in Lebensmitteln und allen mit Lebensmitteln in Berührung kommenden Oberflächen organisiert.

Warum veröffentlicht die EFSA einen Text über MKW?

Die Kommission prüft derzeit, ob Höchstgehalte für MKW in bestimmten Lebensmitteln festgelegt werden sollen. Als Grundlage für diese Entscheidung beauftragte die Kommission die EFSA im Jahr 2020, das wissenschaftliche Gutachten des CONTAM-Gremiums aus dem Jahr 2012 zu den von MKW in Lebensmitteln ausgehenden Risiken für die öffentliche Gesundheit zu aktualisieren.

Womit wurde die EFSA beauftragt?

Die EFSA wurde beauftragt,

  • die seit 2012 zur Toxizität von MKW durchgeführte Forschung zu überprüfen und das wissenschaftliche Gutachten zur Gefahrenbeschreibung (Schadenspotenzial) von MKW zu aktualisieren.
  • die Höhe der Exposition gegenüber MKW unter Berücksichtigung neuerer Ereignisdaten zu schätzen und anschließend die Risikobeschreibung (die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schädigung eintritt) von MKW auf der Grundlage dieser jüngsten Daten zu aktualisieren.

Wie ist die EFSA bei ihrer Arbeit vorgegangen?

  • Bei der Bewertung von MKW hat sich die EFSA strikt an eine vorab festgelegte Methodik gehalten und den gesamten Prozess dokumentiert.
  • Der Entwurf des wissenschaftlichen Gutachtens, der auf der Neubewertung beruhte, wurde vom 15. März bis zum 30. April 2023 einer öffentlichen Konsultation unterzogen.

Welche Daten wurden herangezogen?

  • Die EFSA nahm eine umfassende Durchsicht der wissenschaftlichen Literatur zu verschiedenen Themen im Zusammenhang mit MKW vor, einschließlich der Ermittlung von Toxikokinetik- und Toxizitätsdaten, wobei der Schwerpunkt auf Studien lag, die seit 2010 veröffentlicht wurden. Die erste Literaturrecherche wurde zwischen dem 16. Januar und dem 5. Februar 2021 durchgeführt. Eine zweite Recherche wurde am 10. Oktober 2022 durchgeführt.
  • Die EFSA erhebt regelmäßig Informationen über das Vorhandensein von Kontaminanten in Lebens- und Futtermitteln, einschließlich Daten über den Gehalt an MKW in Lebensmitteln, von den EU-Mitgliedstaaten und anderen Interessenvertretern. Für die Aktualisierung der Risikobewertung zu MKW in Lebensmitteln berücksichtigte die EFSA Ereignisdaten, die zwischen 2011 und 2021 erhoben wurden.
  • Die EFSA sammelte frühere Risikobewertungen auf den Websites nationaler und internationaler Organisationen sowie gezielte Internetrecherchen. Informationen über die geltenden Rechtsvorschriften wurden bei den EU-Organen und aus den nationalen Rechtsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten eingeholt.

Welche Einschränkungen/Unsicherheiten gab es?

  • Die große Zahl chemischer Verbindungen in der Gruppe der MKW machte es unmöglich, eine vollständige Liste chemischer Eigenschaften zu erstellen.
  • Für MOSH konnte der gesundheitsbasierte Richtwert (Health-Based Guidance Value, HBGV) nicht ermittelt werden, sodass die Sicherheitsmarge für die Exposition (Margin of Exposure, MoE) verwendet wurde.
  • Für MOAH mit 3 oder mehr aromatischen Ringen lagen keine ausreichenden Daten zur oralen Toxizität oder zu ihren Konzentrationen in Lebensmitteln vor, um Schlussfolgerungen zu ziehen. Das CONTAM-Gremium berücksichtigte jedoch Toxizitätsdaten zu strukturell ähnlichen Stoffen (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe [PAK]) und schätzte Expositionswerte unter Berücksichtigung von zwei möglichen Ereignisszenarien, um die Risiken zu bewerten.
  • Bei MOAH mit 1 bis 2 Ringen war es nicht möglich, eine Dosis zu bestimmen, bei der eine geringe, aber messbare schädliche Wirkung beobachtet wird (Bezugspunkt), da keine ausreichenden Daten zur oralen Toxizität vorlagen.

Welche Ergebnisse wurden erzielt und welche Auswirkungen hatte dies?

Die Europäische Kommission kann die folgenden Ergebnisse berücksichtigen, wenn sie erwägt, Höchstgehalte für MKW in bestimmten Lebensmitteln festzulegen:

  • Es ist sehr wahrscheinlich (Sicherheit von 66–95 %), dass die derzeitige lebensmittelbedingte Exposition gegenüber MOSH keinen Anlass zu Bedenken für die menschliche Gesundheit gibt. Es wurde festgestellt, dass schädliche Auswirkungen auf die Leber, die zuvor bei Laborratten beobachtet wurden, für den Menschen nicht relevant waren.  Trotzdem müssen die möglichen langfristigen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit weiter untersucht werden.
  • Für die endgültige Risikobewertung von MOAH mit 3 oder mehr aromatischen Ringen sind zusätzliche Daten zur Toxizität und Exposition erforderlich. Jedoch ist es ausgehend von dem vorstehenden Ansatz für Kleinkinder sehr wahrscheinlich (Sicherheit von 99–100 %) und für andere Altersgruppen wahrscheinlich (Sicherheit von mehr als 66 %), dass die aktuelle lebensmittelbedingte Exposition gegenüber MOAH mit 3 oder mehr aromatischen Ringen, welche mit DNA-Schädigungen assoziiert werden und möglicherweise Krebs verursachen können, Anlass zu möglichen Bedenken für die menschliche Gesundheit gibt.
  • Für die lebensmittelbedingte Exposition gegenüber MOAH mit 1 bis 2 Ringen fehlen zuverlässige Toxizitätsdaten, was Anlass zu Bedenken geben könnte.
  • Die höchsten MKW-Gehalte wurden in Pflanzenölen gefunden, und die Bevölkerungsgruppe mit der höchsten Exposition waren junge Menschen, und zwar in erster Linie Säuglinge, die über Säuglingsanfangsnahrung exponiert werden.

Was sind die wichtigsten Empfehlungen für Gesundheitsbehörden, politische Entscheidungsträger und Forscher?

Empfehlungen in Bezug auf MOSH:

  • DBestimmung von Konzentrationen in Lebensmitteln gemäß dem Leitliniendokument der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) (Bratinova und Hoekstra, 2023).
  • Verbesserung der Analysemethodik für eine bessere Charakterisierung von MOSH und eine einheitliche Berichterstattung.
  • Verbesserung der Forschung über die Quellen von Kohlenwasserstoffen in Lebensmitteln.
  • Erhebung von Daten über die Bildung, den Verbleib und die Toxizität von Produkten, die nach der Veränderung von MOSH im Körper entstehen, einschließlich ihres Anreicherungspotenzials.
  • Untersuchung der strukturellen Merkmale von MOSH, die den menschlichen Stoffwechsel und die Ausscheidung hemmen und zu einer Anreicherung im Körper führen.
  • Erhebung zusätzlicher Daten zur Akkumulation von MOSH im Körper sowie zu den toxischen Wirkungen von MOSH, insbesondere in Leber und Milz sowie im Immun- und Nervensystem.
  • Erforschung möglicher Auswirkungen auf Lipoproteine, Entzündungen und Entzündungsmarker, die in jüngsten klinischen Prüfungen beobachtet wurden.
  • Erhebung zusätzlicher Daten über MOSH-Konzentrationen im menschlichen Gewebe oder Entwicklung und Einsatz von Biomarkern für die Exposition, insbesondere für nach 1995 geborene Personen.
  • Bestimmung des Beitrags von Umweltquellen zum Ausmaß der Lebensmittelkontamination mit MOSH im Vergleich zu anderen MOSH-Quellen.

Empfehlungen in Bezug auf MOAH:

  • Bestimmung von Konzentrationen in Lebensmitteln gemäß dem Leitliniendokument der JRC (Bratinova und Hoekstra, 2023).
  • Erhebung weiterer Daten zur Zusammensetzung nach Anzahl der aromatischen Ringe, hauptsächlich Konzentrationen von MOAH mit 3 oder mehr Ringen, die in Lebensmitteln enthalten sind.
  • Erhebung weiterer Daten über MOAH mit 3 oder mehr Ringen und den Einfluss der Alkylierung von Ringen (Übertragung einer Alkyl-Gruppe) auf die Schädigung von Genen und die Verursachung von Krebs.
  • Erhebung von Daten zur oralen Toxizität für MOAH mit 1 bis 2 Ringen.
  • Untersuchung der Quellen der Lebensmittelkontamination, wenn MOAH nachgewiesen werden.
  • Aktualisierung der technischen Spezifikationen mit detaillierten Informationen über den MOAH-Gehalt und die Zusammensetzung von weißen Mineralölen und Wachsen, die als Lebensmittelzusatzstoffe und Lebensmittelverpackungsmaterialien verwendet werden.

Glossar

Biomarker für die Exposition – ein messbarer Stoff in einem Organismus, dessen Vorhandensein auf eine Umweltexposition hindeutet.

Gesundheitsbasierter Richtwert (HBGV) – Richtwert zum sicheren Konsum von Stoffen, bei dem die aktuellen Sicherheitsdaten, Unsicherheiten in diesen Daten und die wahrscheinliche Dauer des Konsums berücksichtigt werden.

Sicherheitsmarge für die Exposition – ein in der Risikobewertung verwendetes Instrument zur Abwägung von Sicherheitsbedenken in Bezug auf in Lebens- oder Futtermitteln vorkommende, potenziell toxische Stoffe.

Aromatischer Mineralölkohlenwasserstoff (MOAH) – MKW mit einem oder mehreren aromatischen Ringen.

Mineralölkohlenwasserstoff (MKW) – eine Verbindung aus Wasserstoff und Kohlenstoff mineralischen Ursprungs.

Gesättigter Mineralölkohlenwasserstoff (MOSH) – MKW, der nur einzelne Bindungen zwischen Kohlenstoffatomen enthält.

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe – eine große Klasse organischer Verbindungen, die aus zwei oder mehr kondensierten aromatischen Ringen bestehen.

Haftungsausschluss

  • Dies ist eine Zusammenfassung des Gutachtens der ECHA Update of the risk assessment of mineral oil hydrocarbons (MOH) in food (Aktualisierung der Risikobewertung von Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW) in Lebensmitteln) in einfacher Sprache.
  • Das vollständige Gutachten der EFSA finden Sie hier:  https://doi.org/10.2903/j.efsa.2023.8215.
  • Zweck dieser Zusammenfassung in einfacher Sprache ist es, die Transparenz zu erhöhen und interessierte Kreise über die Arbeit der EFSA zu diesem Thema zu informieren, wobei eine vereinfachte Sprache verwendet wird, um die wichtigsten Ergebnisse vorzustellen.

Quellen

  • Die vorliegende Zusammenfassung in einfacher Sprache ist unter den ergänzenden Informationen des Gutachtens Update of the risk assessment of mineral oil hydrocarbons (MKW) in food (Aktualisierung der Risikobewertung von Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW) in Lebensmitteln) abrufbar. EFSA Journal 2023;21(9):8215. DOI: https://doi.org/10.2903/j.efsa.2023.8215 
  • Bratinova S and Hoekstra E, 2019. Guidance on sampling, analysis and data reporting for the monitoring of mineral oil hydrocarbons in food and food contact materials (Leitlinien für Probenahmen, Analysen und Datenberichterstattung für die Überwachung von Mineralölkohlenwasserstoffen in Lebensmitteln und Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen). Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union. https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC115694