Risikobewertung kleiner organischer Arsenverbindungen in Lebensmitteln

Veröffentlicht:

Hintergrund der Risikobewertung

  • Risikomanager benötigen Beratung in Bezug auf die Sicherheit von Lebensmittelkontaminanten wie Arsen, um zulässige Höchstgehalte in Lebensmitteln festzulegen, die vorhanden sein können, ohne die Gesundheit zu beeinträchtigen. 
  • Kleine organische Arsenverbindungen sind Verbindungen, die Methylgruppen, jedoch keine anderen organischen Gruppen enthalten und an Arsen gebunden sind. Monomethylarsensäure V (MMA(V)) und Dimethylarsinsäure V (DMA(V)) sind die häufigsten dieser Verbindungen in Lebensmitteln. Die höchsten Konzentrationen finden sich in Reis, Algen und Meeresfrüchten.
  • 2009 bewertete das Gremium für Kontaminanten in der Lebensmittelkette (CONTAM-Gremium) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Risiken für die menschliche Gesundheit aufgrund des Vorhandenseins von Arsen in Lebensmitteln.  
  • Aufgrund fehlender Daten bewertete die EFSA im Jahr 2009 nur die Risiken für anorganisches Arsen, konnte aber die Risiken kleiner organischer Arsenverbindungen oder komplexer organischer Arsenverbindungen wie Arsenobetain, Arsenzucker oder Arsenolipide nicht bewerten.

Welche Aufgabe wurde der EFSA gestellt?

  • Die Europäische Kommission ersuchte die EFSA um die Erstellung von vier wissenschaftlichen Gutachten zu Arsen in Lebensmitteln unter Berücksichtigung der seit 2009 neu verfügbaren wissenschaftlichen Informationen, einschließlich neuer Studien zu den toxischen Wirkungen von anorganischem und organischem Arsen.
  • Das erste Gutachten, eine aktualisierte Risikobewertung für anorganisches Arsen in Lebensmitteln, wurde im Januar 2024 veröffentlicht. Die Risikobewertung kleiner organischer Arsenverbindungen ist Gegenstand dieses zweiten Gutachtens. Das dritte und das vierte Gutachten werden bis Anfang 2025 vorliegen und sich jeweils auf die Risikobewertung komplexer organischer Arsenverbindungen bzw. der kombinierten Exposition gegenüber anorganischem und organischem Arsen erstrecken.

Wie ist die EFSA bei ihrer Arbeit vorgegangen?

  • Die EFSA gab zunächst eine umfassende Suche und Auswertung der einschlägigen Literatur in Auftrag. Der Bericht zu dieser Suche (Licht et al., 2022) diente als Ausgangspunkt für das wissenschaftliche Gutachten. 
  • Es wurden zusätzliche Literaturrecherchen nach festgelegten Protokollen durchgeführt. Darüber hinaus wurde die Verbraucherexposition gegenüber MMA(V) und DMA(V) auf der Grundlage der verfügbaren Konsumdaten der EFSA geschätzt. Diese Daten wurden mit den der EFSA gemeldeten und in der Literatur gefundenen Daten zum Vorkommen kombiniert.
  • Ein Entwurf des Gutachtens wurde vom 26. März bis zum 7. Mai 2024 einer öffentlichen Konsultation unterzogen und nach Berücksichtigung der Beiträge der Interessenträger fertiggestellt.

Welche Einschränkungen/Unsicherheiten gab es?

  • Die Risikobewertung beschränkte sich auf MMA(V) und DMA(V), da keine ausreichenden Daten über andere kleine organische Arsenverbindungen vorlagen. Dennoch sind diese beiden die vorherrschenden Formen kleiner organischer Arsenverbindungen, die in Lebensmitteln gefunden wurden.
  • Die Daten zur Entwicklungstoxizität, Reproduktionstoxizität und Neurotoxizität von MMA(V) und DMA(V) waren unvollständig, und die Mechanismen ihrer Genotoxizität sind nach wie vor unklar. Daher kam das Gremium zu dem Schluss, dass es nicht angebracht ist, gesundheitsbezogene Richtwerte abzuleiten, und beschloss, für beide Verbindungen einen Ansatz der Sicherheitsmarge für die Exposition (MOE) anzuwenden.

Welche Ergebnisse wurden erzielt und welche Auswirkungen hatten diese?

Allgemeines Ergebnis

  • Reis und Fisch tragen am stärksten zur Exposition gegenüber MMA(V) und DMA(V) in der menschlichen Ernährung bei.

Ergebnis für MMA(V)

  • Studien an Ratten ergaben, dass eine MMA(V)-Exposition in bestimmten Mengen zu Gewichtsverlust aufgrund von Durchfall führen kann, was als kritische gesundheitliche Auswirkung identifiziert wurde. Der Referenzwert (RP) für MMA(V) wurde auf 18,2 mg pro kg Körpergewicht pro Tag (entspricht 9,7 mg Arsen pro kg Körpergewicht pro Tag) festgelegt. Dies ist eine konservative Schätzung der niedrigsten Dosis, die mit einem erhöhten Gewichtsverlust aufgrund von Durchfall nach Exposition gegenüber MMA(V) in Verbindung gebracht werden könnte.
  • Bei Stoffen, die weder genotoxisch sind noch Krebs verursachen, wird ein Mindest-MOE-Wert von 100 im Allgemeinen als wenig besorgniserregend für die menschliche Gesundheit angesehen. In Anbetracht zusätzlicher Unsicherheiten in den Daten wandte das Gremium jedoch einen konservativen 5-fachen Sicherheitsfaktor auf den Mindest-MOE-Wert an. Daher kam das Gremium zu dem Schluss, dass ein MOE-Wert von 500 oder höher wahrscheinlich kein Gesundheitsrisiko durch MMA(V) darstellt.
  • Bei MMA(V) lagen die MOE-Werte sowohl bei Durchschnittsverbrauchern als auch bei Verbrauchern mit hoher Aufnahme in allen Altersgruppen deutlich über 500 und gaben daher keinen Anlass zu gesundheitlichen Bedenken.

Ergebnisse für DMA(V)

  • Studien an Ratten ergaben, dass die DMA(V)-Exposition bei bestimmten Konzentrationen das Auftreten von Harnblasentumoren erhöht, was als kritische Auswirkung auf die Gesundheit identifiziert wurde. Der Referenzwert für DMA(V) wurde auf 1,1 mg pro kg Körpergewicht und Tag festgelegt (entspricht 0,6 mg Arsen pro kg Körpergewicht und Tag). Dies ist eine konservative Schätzung der niedrigsten Dosis, die mit einem erhöhten Auftreten von Harnblasentumoren nach Exposition gegenüber DMA(V) in Verbindung gebracht werden könnte.
  • Es liegen überzeugende Beweise dafür vor, dass DMA(V) Krebs verursacht, und das Gremium kam zu dem Schluss, dass sie wahrscheinlich genotoxisch ist. Daher kam das Gremium entsprechend der Empfehlung des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA für genotoxische und karzinogene Stoffe zu dem Schluss, dass ein MOE-Wert von 10 000 oder höher erforderlich ist, damit DMA(V) wahrscheinlich kein Gesundheitsrisiko darstellt.
  • Für DMA(V) lagen die berechneten MOE-Werte in vielen Fällen über alle Ernährungserhebungen und Altersgruppen hinweg unter 10 000, insbesondere für einige Gruppen von Verbrauchern mit hoher Aufnahme. Das Gremium stellte fest, dass diese MOE-Werte gesundheitliche Bedenken aufwerfen.

Schlussfolgerung

  • Die Ergebnisse dieses Gutachtens bieten der Europäischen Kommission eine wissenschaftliche Grundlage für die mögliche Festlegung von Höchstgehalten für MMA(V) und DMA(V) in Lebensmitteln.

Wie lauten die wichtigsten Empfehlungen?

Empfehlungen für die Forschungsgemeinschaft 

  • Analysemethoden verbessern: Robuste, validierte Analysemethoden zur Messung spezieller kleiner organischer Arsenverbindungen in Lebensmitteln und ihrer entsprechenden schwefelhaltigen Formen entwickeln
  • Referenzmaterialien standardisieren: Zertifizierte Referenzmaterialien zur Gewährleistung der Kohärenz und Genauigkeit der Messungen in allen Labors entwickeln
  • Einheitliche Berichterstattung beibehalten: Der EFSA Daten zu kleinen organischen Arsenverbindungen in Lebensmitteln als elementare Arsenkonzentrationen melden, um vergleichbare Ergebnisse zu gewährleisten
  • Daten über das Vorkommen erheben: Die Erhebung von Daten über kleine organische Arsenverbindungen in wichtigen Lebensmitteln (z. B. Fisch und Meeresfrüchte, Reis) fortsetzen sowie Daten in Muttermilch und einer breiteren Palette von Lebensmitteln (z. B. Säuglingsnahrung, Pilze) sammeln
  • Die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit verstehen: Das Verständnis von Absorption, Verteilung, Stoffwechsel und Ausscheidung kleiner organischer Arsenverbindungen im Hinblick auf die menschliche Gesundheit verbessern
  • Studien zur Toxizität, Genotoxizität und Wirkungsweise durchführen: Weitere Forschungen zu den Auswirkungen kleiner organischer Arsenverbindungen auf Entwicklung, Fortpflanzung, Nervensystem, Genotoxizität und Körper (Wirkungsweise) durchführen.

Glossar

Genotoxizität: Fähigkeit eines Stoffs, die Zell-DNA zu schädigen.

Anorganisches Arsen: anorganische Formen von Arsen sind Verbindungen, die keine Arsen-Kohlenstoff-Bindungen enthalten. Dazu gehören unter anderem Oxide, Chloride, Sulfide, Arsenite und Arsenate, die natürlich oder als Folge menschlicher Aktivitäten in Böden und Grundwasser auftreten.

Sicherheitsmarge für die Exposition (Margin of Exposure, MOE) – ein bei der Risikobewertung verwendetes Instrument zur Abwägung von Sicherheitsbedenken in Bezug auf in Lebens- oder Futtermitteln vorkommenden, potenziell toxischen Stoffen. Dabei handelt es sich um das Verhältnis zwischen dem Referenzwert (der Dosis, bei der eine kleine, aber messbare schädliche Wirkung beobachtet wird) und der Höhe der Exposition einer bestimmten Population gegenüber dem Stoff.

Organisches Arsen: Organische Formen von Arsen sind Verbindungen, die Arsen-Kohlenstoff-Bindungen enthalten. Dazu gehören unter anderem methylierte Arsenverbindungen, Arsenobetain, Arsenolipide und Arsenzucker, die hauptsächlich in Meeresfrüchten und der Meeresumwelt vorkommen.

Referenzwert: definierter Wert einer experimentellen Dosis-Wirkungs-Beziehung, der eine kritische Wirkung bezeichnet und zur Bewertung der potenziellen Risiken einer Exposition gegenüber einer bestimmten Gefahr herangezogen wird. Dieser Wert wird häufig verwendet, um ein sicheres oder akzeptables Expositionsniveau festzulegen.
 

Haftungsausschluss

  • Dies ist eine Zusammenfassung in vereinfachter Sprache des Gutachtens der ECHA Risk assessment of small organoarsenic species in food. (Risikobewertung kleiner organischer Arsenverbindungen in Lebensmitteln). Das vollständige Gutachten der EFSA finden Sie hier.
  • Zweck dieser Zusammenfassung in vereinfachter Sprache ist es, die Transparenz zu erhöhen und interessierte Kreise über die Arbeit der EFSA zu diesem Thema zu informieren, wobei eine vereinfachte Sprache verwendet wird, um die wichtigsten Ergebnisse vorzustellen.

Referenz

Risk assessment of small organoarsenic species in food (Risikobewertung kleiner organischer Arsenverbindungen in Lebensmitteln).

DOI: https://doi.org/10.2903/j.efsa.2024.8844