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Einführung von TKPlate – Lebensmittelsicherheit ohne Tierversuche?

Eine neue Plattform zur Modellierung und Vorhersage der Toxizität Potenzial eines Stoffs, einem lebenden Organismus zu schaden. chemischer Stoffe und ihrer Auswirkungen auf Mensch und Tier ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer Zukunft mit weniger oder gar keinen Tierversuchen im Bereich der Lebensmittelsicherheit.

Alternatives to animal testing

Traditionell haben sich Sicherheitsbewertungen von Chemikalien in Lebens- und Futtermitteln (sowie bei Arzneimitteln, Konsumgütern, Industriechemikalien und anderen chemischen Stoffen) auf Erkenntnisse aus Tierversuchen gestützt. Diese grundlegende Praxis bei der Bewertung der von Chemikalien ausgehenden Risiken sorgt seit den 1950er Jahren weitgehend für die Sicherheit unserer Lebensmittel.

Gesellschaft und Wissenschaft stellen diese Praxis jedoch zunehmend in Frage, sowohl aus ethischen als auch aus wissenschaftlichen Gründen. Wir alle wollen das Leiden der Tiere verringern. In den letzten Jahren wurden dank der Förderung des 3-R-Prinzips – Replacement (Ersatz von Tierversuchen), Reduction (Verringerung der Zahl der Tiere im Tierversuch) und Refinement (erträglichere Gestaltung der Tierversuche) – Verbesserungen erzielt.

Die Verwendung alternativer Instrumente zur Gewinnung repräsentativerer Informationen über die Toxikokinetik Die Toxikokinetik untersucht die Prozesse, mit denen potenziell giftige Stoffe im Körper verarbeitet werden. Dies umfasst ein Verständnis der Resorption, Verteilung, Verstoffwechselung und Ausscheidung solcher Stoffe. (TK) (wie der Körper mit Chemikalien umgeht) und die Toxizität/ Toxikodynamik Prozess der Wechselwirkung von chemischen Stoffen mit dem Körper sowie die daraus resultierenden Reaktionen, die zu schädlichen Wirkungen führen. (TD) (was Chemikalien im Körper bewirken) wird ebenfalls immer stärker in der Praxis umgesetzt.

Wir stellen vor: „TKPlate“!

Vorhersage der Toxikokinetik und Toxizität mit Open-Access-Software

Wissenschaftler bei der EFSA und mehrere führende europäische Forschungsorganisationen haben sich zusammengeschlossen, um „TKPlate“ zu entwickeln. Dabei handelt es sich um eine Online-Plattform, die Wissenschaftlern und Regulierungsbehörden ein Umfeld und eine Reihe von Tools zur Modellierung und Vorhersage von TK- und TD-Eigenschaften bietet.

Zwei erfahrene Wissenschaftler der EFSA – der Toxikologe Jean-Lou Dorne und der Statistiker/Modellierer Jose Cortiñas Abrahantes – nehmen bei diesem Vorhaben eine federführende Rolle ein.

Jean-Lou: „Die Idee zu TKPlate entstand 2014 mit einem wissenschaftlichen Bericht über Alternativmethoden zu Tierversuchen, die von den Sachverständigen der EFSA genutzt werden können. In dem Bericht wurde die Entwicklung einer Reihe von TK- und TD-Modellen vorgeschlagen. Die Toxikokinetik gibt Aufschluss darüber, wie der Körper die Chemikalie aufnimmt, verteilt, verstoffwechselt und ausscheidet. Die Toxikodynamik erforscht die toxischen Wirkungen auf Moleküle, Zellen, Gewebe, Organe oder einen ganzen Organismus Lebewesen wie Menschen, Tiere, Pflanzen und Mikroben (z.B. Bakterien und Viren)..“

Jose: „Zwischen 2015 und 2020 entwickelte die EFSA diese TK-Modelle und erstellte zahlreiche Fallstudien für eine Reihe von (Tier-)Arten, die für die Arbeit der EFSA relevant sind: Menschen, Versuchstiere wie Ratten und Mäuse, landwirtschaftliche Nutztiere und andere Arten, die eine Rolle in der Lebens- und Futtermittelkette spielen, wie z. B. Erdwürmer. Wir lagerten wichtige Teile der Arbeit an wissenschaftliche Partner und nationale Agenturen aus Dies hat dazu geführt, dass mehrere junge Wissenschaftler erfolgreich promoviert haben.“

Einzigartig im Bereich der Lebensmittelsicherheit – welche Fähigkeiten hat TKPlate?

Jean-Lou Dorne

„Unseres Wissens ist diese Plattform im Bereich der Lebens- und Futtermittelsicherheit einzigartig.“ - Jean-Lou Dorne

Jean-Lou: „Unseres Wissens ist diese Plattform im Bereich der Lebens- und Futtermittelsicherheit einzigartig”.

„Sie ermöglicht es Risikobewertern und anderen Akteuren, die sich mit der Toxikologie befassen, TK- und TD-Prozesse bei allen auf der Plattform enthaltenen (Tier-)Arten zu modellieren. Im Grunde läuft dies wie folgt hab: Man wählt die Tier-(Art), die Chemikalie oder die Gruppe von Chemikalien sowie Eingabeparameter wie die Art der Exposition Konzentration oder Menge eines bestimmten Stoffs, die von einem Menschen, einer Population oder einem Ökosystem mit einer bestimmten Häufigkeit über einen bestimmten Zeitraum hinweg aufgenommen wird. aus und wendet die Modelle mit einem einzigen Klick an.”

„Das Programm berechnet die Konzentrationen von Chemikalien im Körper anhand der aufgenommenen Mengen (TK) und sagt die Auswirkungen (TD) voraus, die sie verursachen können. Diese Ergebnisse können Tierdaten direkt ersetzen, wodurch sich die Notwendigkeit neuer Versuche verringert. Es funktioniert auch in umgekehrter Richtung: Wir können die Exposition abschätzen, wenn Daten wie Blut- oder Urinkonzentrationen vorliegen. Es verfügt über viele weitere Funktionen, darunter die TK-TD-Modellierung und ein Instrument zur Bewertung der Risiken von Chemikaliengemischen.”

„Am Ende erhält man einen automatisierten Bericht, der Einzelheiten zu allen Eingabe- und Ausgabeinformationen, Daten und Grafiken enthält. Dies kann als Teil der Faktenbasis direkt in die wissenschaftliche Bewertung einfließen.“

Die Entwicklung der Plattform – eine Mammutaufgabe

TKPlate ist mehr als nur eine Zusammenstellung von Modellen; dennoch sind Modelle ein wichtiger Teil des Angebots der Plattform.

Jose: „Die Entwicklung der Modellarten, die in TKPlate verwendet werden, ist komplex, da die Modelle einen konzeptionellen Rahmen dessen abbilden, wie ein Stoff mit einem Organismus interagiert. Selbstverständlich stellen alle Modelle eine Vereinfachung der Realität dar. Daher besteht die Herausforderung darin, den Prozess so genau wie möglich zu erfassen und die Komplexität zu verringern, um ein verallgemeinerbares Konzept zu erstellen.”

„Zu versuchen, den gesamten Prozess im Organismus nachzuahmen, wäre nicht realistisch. Die Herausforderung besteht also darin, zu überlegen, welche Komponenten wir beibehalten können, um sie so belastbar wie möglich zu machen, falls unsere Annahmen ungenau oder fehlerhaft sind.”

Jose Cortiñas Abrahantes

„Gut entwickelte Modelle wie diese, einschließlich der Prüfung und Validierung, benötigen mindestens ein Jahr.“ - Jose Cortiñas Abrahantes

„Gut entwickelte Modelle wie diese, einschließlich der Prüfung und Validierung, benötigen mindestens ein Jahr, je nach Komplexität des Organismus und der Gesamtheit der Komponenten, die man einbeziehen möchte. Das ist eine Mammutaufgabe, und den Forschern, die die Modelle erstellt haben, sind wir zu Dank verpflichtet. Neben den Modellen, die zwischen 2015 und 2020 erstellt wurden, befinden sich weitere Modelle noch in der Entwicklung.”

Zuverlässigkeit toxikokinetischer Modelle

Da Tools wie TKPlate nun realisierbar werden, verlagert sich der Schwerpunkt jetzt auf ihre Zuverlässigkeit als Nachweisquellen.

Jean-Lou: „Wie bei allen wissenschaftlichen Informationen unterliegen die von diesen Modellen bereitgestellten Vorhersagen Schwankungen und Unsicherheiten, je nachdem, welche Daten für die (Tier-)Art und die Chemikalie, die man untersucht, verfügbar sind. Im Rahmen einer Reihe von Fallstudien wird transparent über diese Schwankungen und Unsicherheiten berichtet, wobei internationale Standards zur Bewertung der Zuverlässigkeit der einzelnen Modelle herangezogen werden.“

Jose: „Alle von uns ausgelagerten Modellierungsarbeiten erforderten eine umfangreiche Feinabstimmung, Prüfung und Validierung, wobei nicht nur vorhandene tierexperimentelle Daten, sondern auch zusätzliche von den Auftragnehmern generierte Labordaten verwendet wurden. In den Fallstudien wurden die Modellergebnisse in verschiedenen Kontexten und für verschiedene Tierarten geprüft, sodass Ergebnisse erzielt wurden, die unsere Erwartungen erfüllen. Daher sind wir von der Zuverlässigkeit und Belastbarkeit der Modelle überzeugt.“

Wird TKPlate bereits für Risikobewertungen eingesetzt?

Die Integration der TK-Modelle in eine benutzerfreundliche Schnittstelle – die Plattform, die wir heute einführen – ist ein wichtiger Schritt hin zum Einsatz der Modelle bei der Bewertung chemischer Risiken bei der EFSA und darüber hinaus. 

Carlos Gonçalo das Neves ist der leitende Wissenschaftler der EFSA und starker Befürworter von Entwicklungen im Bereich der „New Approach Methodologies“ (NAMs) wie TKPlate. 

Carlos: „TKPlate und andere NAMs-Tools wie dieses weisen ein erstaunliches Potenzial auf. Einige softwarebasierte NAMs sind bei der EFSA bereits im Einsatz und spielen bei einigen unserer Risikobewertungen eine immer größere Rolle.

„TKPlate wird noch nicht in den Bewertungen der EFSA eingesetzt, aber es werden Anwendungen seiner Modelle untersucht, um die Plattform zu optimieren und die Schulung unserer Mitarbeiter und Experten in ganz Europa zu priorisieren. Dies wird seine Verwendung bei der Risikobewertung durch die Wissenschaftlichen Gremien der EFSA, die hoffentlich in naher Zukunft stattfindet, unterstützen. Und natürlich können und wollen wir diese Unterstützung auch auf andere EU-Agenturen und nationale Behörden ausweiten.

Carlos Gonçalo das Neves

„Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Ära der Risikobewertung von Chemikalien.“ - Carlos Gonçalo das Neves

„Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Ära der Risikobewertung von Chemikalien, die nicht nur zu einer erstrebenswerten und von unseren Bürgern mit Nachdruck geforderten Verringerung der Notwendigkeit von Tierversuchen führen wird, sondern auch zu einer weiteren Verbesserung der Qualität und Relevanz der Daten, die wir für unsere Bewertungen verwenden. Ich hoffe sehr, dass TKPlate einen großen Schritt in diese Richtung darstellen wird.”

„Wissenschaftliche Beratungsgremien wie die EFSA warten bereits gespannt darauf, Risikobewertungen mit NAMs durchführen zu können.  Es ist wichtig, dass Regulierungsbehörden und die Gesellschaft die Gewissheit haben, dass alle Ergebnisse zur Unterstützung der Entscheidungsfindung auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Wir sind zuversichtlich, dass TKPlate seine Aufgabe erfüllen wird.“

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